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BAYUK
Die wichtigste, dringendste Frage gleich zum Anfang: Was ist mit Bayuk passiert?
Der Styler-King im gelben Sweatshirt, mit seidig geföhnter Haarmatte und Wüstenprinz-Blick, der uns vom Cover seines ersten Albums „Rage Tapes“ so kühl und souverän anguckte, wie es früher nur „Bravo“-Starschnitte konnten – dieser Bayuk macht sich 2021 in einer ganz neuen Daseinsphase sichtbar: Eher ein bisschen zerzauster und übernächtigter. Von Gegenlicht statt vom Scheinwerferspot durchstrahlt. In Laune für Reflexion und die wahren Geschichten.
Nun setzt Bayuk seine künstlerische Reise fort: Mit der neuen Single „Sunshine Go“ knüpft er an seine Zusammenarbeit mit Grönland Records an und gibt einen Ausblick auf neue Projekte. „Sunshine Go“ vereint Bayuks charakteristische Melodien mit emotionaler Tiefe und zeigt, dass er weiterhin ein Künstler ist, der sich beständig neu erfindet, ohne dabei seine Wurzeln zu vergessen.
Magnus Hesse bleibt eine Stimme, die uns immer wieder mit neuen Facetten überrascht. „Sunshine Go“ ist nur der Anfang eines weiteren spannenden Kapitels, das zeigt, dass Bayuks Reise noch lange nicht zu Ende ist – im Gegenteil, sie hat gerade erst begonnen
„Exactly The Amount Of Steps From My Bed To Your Door“ heißt das Album, mit dem Magnus Hesse alias Bayuk zurückkehrte. Es ist – nach den besagten „Rage Tapes“ – seine zweite Platte, aber die erste für Monchique/Grönland Records. Und wenn es nicht so sehr nach Phrase klingen würde, müsste man sagen: Es ist gewissermaßen sein zweites Debüt. Musik mit neuen Geschichten, neuen Bildern, neuen Ober- und Untertönen. (Es kann durchaus sein, dass das einfach an der prinzipiellen Haltung dieses Künstlers liegt. Dass Bayuk ein Sänger, Songwriter und Musiker ist, der für den Rest seines Lebens immer nur Debütalben veröffentlichen wird. Wir werden sehen.)
„Früher habe ich meine Musik im Spaß als ,verkleideten Pop’ bezeichnet“, sagt Bayuk zum neuen Album. „Wenn man in diesem Bild bleibt, könnte man sagen: Jetzt lege ich die Verkleidung ab.“
Kurz das Grundsätzliche: Magnus Hesse ist 29, wohnt in Berlin. Stammt ursprünglich aus Tübingen, brachte sich als Teenager in den Nullerjahren Gitarre und Klavier bei. Fing an, Songs zu schreiben, in Bands zu spielen. Aber erst, als die Bewerbung an der Filmhochschule gescheitert war, widmete er sich ganz der Musik.
„Als ich mit der Arbeit an den neuen Songs begann, stand zuallererst die Frage im Raum: Was sind die Themen, über die ich schreiben will? Was will ich erzählen?“, erinnert sich Magnus. Und so selbstverständlich, wie viele womöglich denken, ist das gar nicht. In der ersten Bayuk-Phase waren Magnus und seine Kreativpartner noch öfter von Sounds und Atmosphärenmalerei ausgegangen, ließen sich im Studio durch Spontanität und Experimentierfreude leiten.
Dass der Ansatz dieses Mal ein anderer sein würde, stärker von Autorenschaft, roten Fäden und poetischer Verbindlichkeit getrieben – das stellte sich heraus, nach und nach, als er 2018 mit den neuen Songs begann. Und ob Zufall oder nicht, es setzte eine weitere, ganz besondere Entwicklung in Gang. „Exactly The Amount Of Steps From My Bed To Your Door“ wurde ein Album, auf dem Magnus Hesse sich ebenso stilistisch wie inhaltlich mit seiner eigenen Jugendzeit auseinandersetzt. Oder, wenn man die Perspektive eine leicht pathetische Ebene höherschraubt: mit großen Themen wie Erinnerung und Neubewertung, der Spannung zwischen alten und neuen Ichs – und der Frage, was es für die Zukunft bedeutet, wenn man irgendwann das historische Puzzlespiel gelöst hat, aus dem sich die eigene Persönlichkeit zusammensetzt. „Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren viel Musik gemacht, in verschiedenen Genres mit verschiedenen Menschen“, sagt Magnus. „Aber die Stücke, aus denen dann das neue Bayuk-Album wurde, haben alle einen gemeinsamen Vibe, der viel mit meiner Vergangenheit zu tun hat. Mit den Menschen und Orten meiner Jugend und dem College- und Indierock, den ich an ihnen hörte.“
Und so ist „Exactly The Amount Of Steps From My Bed To Your Door“ nicht zuletzt eine Liebeserklärung an den Indie-Rock der Nullerjahre geworden. Da blitzen Bands wie Bloc Party im Chorus von „Different“ oder die düster-schöne Welt des Danger Mouse / Sparklehorse Albums „Dark Night Of The Soul“ auf. Die massive Wärme der runtergestimmten Gitarren, die in „Marty McFly“ gar an Weezer erinnern, bestimmt die Grundstimmung des Albums. Bayuk traut sich jedoch erstmals auch an weniger schwere, fast folk-poppige Melodien heran, die mit einer präzisen Dosis zärtlichen Weltschmerzes zuweilen an Phoebe Bridgers oder Conor Oberst denken lassen.
An den meisten neuen Songs war – neben Produzent Jonas Holle und diversen Gastmusikern – der Songwriter und Cellist Joel Siepmann beteiligt, mit dem Magnus tatsächlich schon zur Schulzeit in Tübingen gemeinsam auf Bühnen stand. Tobias Kuhn, Kopf des Projekts Monta, umtriebiger Music Man und Mitgründer des Labels Monchique, auf dem das Album nun erscheint, ist ebenfalls seit vielen Jahren Teil der erweiterten Bayuk-Familie. „Different“ ist das erste Duett, das Magnus und Tobias zusammen singen.
Andere Höhepunkte wie „200 Miles“ zeigen wie sich Magnus zum Autor und Sänger großer Melodien entwickelt hat, die wie Hymnen klingen und im nächsten Moment doch wieder zu zerbrechen drohen. In „200 Miles“ geht es um eine Szene, die aus einem Charlie-Kaufman-Film stammen könnte: ein Paar, unterwegs auf einer langen Autofahrt, auf der sich zwischenmenschliche Gräben auftun und unausgesprochene Fragen aufdrängen, denen beide nicht mehr aus dem Weg gehen können.
„Oslo“ ist das songgewordene Ende einer schmerzlichen, letzten Umarmung und lässt einen auch musikalisch das Frösteln spüren, das die errungene Freiheit mit sich bringt.
„Exactly The Amount Of Steps From My Bed To Your Door“ klingt keine einzige Sekunde lang retro, atmet aber vom ersten bis zum letzten Stück den Geist, der im Jetzt mit der Erinnerung kommt. Ein Songzyklus, der von den vielen Weltuntergängen handelt, die man als Kind beim Einbruch der Nacht erlebt, der 20 Jahre alte Liebesbriefe doch noch beantwortet, vergangene Coolnesswettbewerbe neu entscheidet und bei einer ganz eigenartigen Form von gegenwärtiger Weisheit ankommt – einer Weisheit, die man für einen flüchtigen Moment findet, wenn man dem eigenen, jungen Ich einmal tief in die Augen geschaut hat. Musik, aus der man ab und zu auch die Stimme von Holden Caulfield zu hören scheint, des jungen Helden aus Salingers „Der Fänger im Roggen“. Und in der Magnus Hesse selbst singt: „And the years went by / But I’m still the same boy“. Es ist dieser alte, junge, neue Bayuk, den wir hören wollen, immer und immer wieder.