KONTAKT
Petra Jean Phillipson
Auch wenn Petra Jean Phillipson lacht, wenn sie sagt „Ich will die Leute mit meiner Musik verschiedenen emotionalen Extremen aussetzen“, ist diese Aussage von ihr keineswegs scherzhaft gemeint. Spätestens beim Hören von Phillipsons herausragendem Debütalbum „Notes On Love“ wird einem klar, was die 32jährige Sängerin und Songwriterin mit „emotionalen Extremen“ meint. Nun sind ehrliche und ergreifende Platten ohnehin schon selten, noch seltener aber sind Platten wie „Notes On Love“, die einen vom ersten Ton an verführen und den Wunsch wecken, immer mehr hören zu wollen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen – „Notes On Love“ ist ein eher düsteres, irgendwie „verhexendes“ Album. Und Petra Jean Phillipson ist ein außergewöhnliches Talent mit einer großen Zukunft.
Die Künstlerin selbst gibt denn auch unumwunden zu, dass es sich bei der vorliegenden um eine eher „schwere“ Platte handelt. Was nicht nur am intimen und trotzigen Grundton und den ungemein persönlichen Texten liegt, sondern auch daran, dass Phillipson aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Musik war, wie man so schön sagt, ihre erste Liebe. Bereits im Alter von acht Jahren gründete sie in Ashford, Kent, ihre erste Band. Jahrelang vervollständigte sie ihre musikalischen Fähigkeiten in diversen, über ganz Großbritannien verstreuten Combos und sang für Künstler wie Martina Topley-Bird, die Beta Band, Mad Professor, David Holmes, Marc Almond, Grand Drive und diverse HipHop-Bands in London und New York.
Fest entschlossen, eines Tages eine Solo-Karriere zu starten, schrieb Phillipson ständig neue Songs und schuf so über die Jahre die umwerfende Song-Sammlung, die „Notes On Love“ zu Grunde liegt. Aufgenommen wurde die Platte in den Londoner Mayfair Studios unter Mithilfe ihres langjährigen Kumpels und Ex-The Verve-Gitarristen Simon Tong. Das Album bildet den Abschluss eines ausgesprochen ereignisreichen Kapitels in Petras Leben. „Als ich vor acht Jahren begann, dieses Album zu schreiben – also zur gleichen Zeit, als ich nach London zog – gab es nur meine Stimme und eine Gitarre, eventuell noch ein zweite – das war alles.“
Dem einen oder anderen wird Phillipsons (gelegentlich an Billie Holliday erinnernde) Stimme bekannt vorkommen, was daran liegen könnte, dass sie vor drei Jahren einige Berühmtheit als Sängerin von The Free Association erlangte. Musikalischer Kopf des besagten Psychedelic-Punk-Funk-Ensembles war David Holmes, Produzent und Musiker (er schrieb zuletzt die Musik für „Ocean’s Twelve“), mit dem Phillipson seit Jahren befreundet ist. Kennen gelernt haben sich die beiden über eine andere enge Freundin Phillipsons, Martina Topley-Bird, die in London gewissermaßen gleich um die Ecke von Petra wohnt. Eines Tages also rief Holmes bei Phillipson an und fragte, ob sie nicht Lust hätte, nach L.A. zu kommen und für ihn ein paar Gesangsspuren aufzunehmen. Ursprünglich wollte Phillipson eine Woche bleiben – es wurden drei Monate.
The Free Association spielte viel live und trat in diversen Fernseh-Shows auf. So war Petra mit der Band Gast in der Jools Holland-Show und trat beim renommierten Glastonbury-Festival und in diversen europäischen Fußball-Arenen auf. Doch obwohl Petra die dadurch entstandene Aufmerksamkeit genoss, ging ihr der Rummel nach einer Weile auf die Nerven: „Man lebt in einer Seifenblase, wird überall hingefahren. Die Leute denken, du wärst ein Pop-Star und behandeln dich nicht mehr wie einen normalen Menschen. Deine Familie benimmt sich eigenartig, deine Freunde verhalten sich merkwürdig, wenden sich sogar von dir ab, alle drehen irgendwie durch!“ In einer Tourpause zog sich Petra in ein Studio in der südenglischen Grafschaft Devon zurück, um dort mit den Produzenten Rob Ellis (PJ Harvey, Laika) und Head ihr Solo-Album aufzunehmen. Allerdings war sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden und so wurden die Aufnahmen abgebrochen.
Während ihrer Kindheit hatte Petra eine Weile in Australien gewohnt. Nach ihrer Rückkehr ins heimatliche Ashford hatte sie keinen Draht mehr zu den Kindern, mit denen sie aufgewachsen war. Als Teenager stand sie auf HipHop – ihr Idol hieß KRS One – und fuhr daher häufig abends nach London, um zu checken, was in den dortigen Clubs abging und welche Klamotten gerade angesagt waren. Mit dem ersten Frühzug kam sie dann wieder nach Hause. „Ich glaube“, gesteht Phillipson rückblickend, „dass Musik meine Jugend gerettet hat. Musik ist eine tolle Möglichkeit, sich abzulenken, sich von sich selbst zu befreien.“ Am wichtigsten war Petra allerdings, aus ihrer Heimatstadt herauszukommen. Sie belegte einen Kurs am Londoner St. Martins College, den sie nach einem Jahr abbrach, weil ihr die arrogante Wichtigtuerei ihrer Mitschüler auf die Nerven ging. Anschließend absolvierte sie ein Kunststudium an der Universität von Bath. Momentan arbeitet Phillipson als Konservatorin an Londons berühmter St. Pauls Cathedral.
Während ihres Studiums in Bath organisierte Petra auch ihren eigenen HipHop-Abend – „The Swamp“ – bei dem sie einen überaus ambitionierten Musik-Mix spielte, der von Hazel O´Connor über die Beastie Boys bis zu den Specials reichte, auch Americas „Horse With No Name“ war häufig zu hören. Anschließend erwarb sie sich ihr musikalisches Rüstzeug in „diversen, nur aus Mädchen bestehenden Punk-Funk-Kapellen“, erregte dabei unter anderem die Aufmerksamkeit des britischen Indie-Labels Fierce Panda, lernte, wie man Gesangsparts schon beim ersten Mal richtig einsingt und perfektionierte beim Reisen rund um den Globus ihr Gitarrenspiel.
Danach befragt, warum andere Künstler so gerne mit ihr arbeiten, meint Petra: „Weil ich mich wirklich für etwas begeistern kann. Ich arbeite gerne, ich mag Filme, Musik und all diese Sachen, ich liebe das wirklich sehr. Ich schaffe gerne neue Dinge und ich bin ein wenig verrückt. Ich muss einfach immer wieder neue Sachen machen, sonst würde ich völlig durchdrehen.“
Nun, da Petra Jean Phillipson mit „Notes On Love“ eine Platte aufgenommen hat, die alle ihre vorherigen Arbeiten in den Schatten stellt, kann sie endlich ihren, zu ihren eigenen Bedingungen erzielten Erfolg, genießen.